EU-Klimaziele: Industrie sorgt sich um Wettbewerbsfähigkeit
Wien (energate) – Die österreichische Industrie begrüßt zwar grundsätzlich die europäischen Klimaziele, sorgt sich aber angesichts des von der EU-Kommission kürzlich vorgestellten „Fit for 55″-Paketes, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Klimapolitik dürfe weder den heimischen Industriestandort gefährden noch die europäische Exportwirtschaft schwächen, so der Tenor der Teilnehmer einer Pressekonferenz der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Wichtige Eckpunkte hierfür seien eine Technologieoffenheit, eine Beschleunigung der Dauer von Genehmigungsverfahren und eine verstärkte Investitionstätigkeit im Bereich Forschung und Entwicklung von grünen Technologien, so Siegfried Menz, Obmann der Bundessparte Industrie in der WKÖ.
Entscheidend sei für die Unternehmen zudem eine Planungssicherheit. In diesem Zusammenhang sei das von der EU geplante Auslaufen der Zuteilung von Gratis-CO2-Zertifikaten äußerst kritisch zu sehen, meinte Menz. Dies würde Industrieunternehmen spätestens ab 2025 mit Kosten in Milliardenhöhe konfrontieren. Im internationalen Vergleich bedeute dies einen massiven Wettbewerbsnachteil, der auch durch einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) nicht abzufedern sei. Auch spricht sich der Obmann gegen ein Verbot der Verbrennungsmotoren aus. Verbote seien immer Sackgassen der Innovation, so Menz.
Forderung nach einem „Clean Industry for Europe Package“
Auch der Bundesparteiobmann-Stellvertreter Clemens Malina-Altzinger spricht sich für international gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen, also ein „Global Level Playing Field“ aus. Auch im europäischen Kontext sieht Malina-Altzinger einen Alleingang Österreichs mit einer vorgezogenen Klimaneutralität bis 2040 kritisch. In diesem Punkt müsse das Regierungsprogramm überprüft werden. Stattdessen fordert er ein „Clean Industry for Europe“-Paket, welches unter anderem eine rasche Implementierung des CBAM sowie einen Exportausgleich für Warenlieferungen in Drittstaaten vorsieht. Zudem brauche es einen beschleunigten Ausbau der Kapazitäten bei erneuerbaren Energien, Infrastruktur und Speichertechnologien. In diesem Zusammenhang dürften die Genehmigungsverfahren künftig nicht mehr Jahre, sondern nur noch Monate dauern, sagte Malina-Altzinger. Bei allen Bestrebungen im Rahmen des Fit for 55-Paktes sei es wichtig, den Wohlstandsmotor Industrie nicht abzuwürgen.
Hesoun: Machbarkeit im Auge behalten
Wolfang Hesoun, Obmann des WKÖ-Fachverbands Elektro- und Elektronikindustrie sieht in den Klimazielen der EU eine Chance für Unternehmen am Markt der neuen Technologien zu reüssieren, damit Arbeitsplätze zu schaffen und Wohlstand zu sichern. Wichtig sei dabei die Machbarkeit von nationalen und europäischen Klimabestrebungen im Auge zu behalten. Die Wünsche nach dem Ausbau von erneuerbaren Energien, wenn auch in Gesetzesform gegossen, brächten wenig, wenn diese nicht realistisch umzusetzen seien. Zu diesem Zweck seien unter anderem auch die bürokratischen Abläufe auf die zeitlichen Vorgaben der Erreichung der Klimaziele abzustimmen, so Hesoun. Andernfalls sei es nicht realistisch, die Ziele im vorgegebenen Zeitrahmen zu erreichen.
Heimische Industrie ist „Fit for 100″
Das große Ziel der heimischen Industrie sei die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050, so Oliver Dworak, zuständig für Energie- und Klimapolitik in der WKÖ-Bundessparte Industrie. In diesem Zusammenhang sei die Industrie sogar „Fit for 100″, wenn sie die notwendigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen erhalte. Dafür müsse unter anderem die Doppelbelastung für Unternehmen der energieintensiven Industrie aus den unterschiedlichen Rechtsakten abgebaut werden. Dazu bräuchte es einen einheitlichen Rechtsrahmen ohne Überschneidungen oder Doppelgleisigkeiten.
Wichtig sei zudem eine internationale CO2-Bepreisung auf Ebene der G7- und G20-Staaten, so Dworak. Denn die EU allein werde das Weltklima nicht retten können. Bis dies umgesetzt werde, bräuchte es jedenfalls weiterhin die gratis Zuteilung von CO2-Zertifikaten, um die europäischen Exporte in Drittmärkte zu schützen. Auch im Zusammenhang mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien brauche es anstatt nationaler Sonderlösungen einen einheitlichen, europäischen Rahmen. Schlussendlich sei es nicht möglich, die Klimaziele ohne die Industrie zu erreichen, so Dworak abschließend.
Bildquelle: Voestalpine